Starcode - Notfall an Board der Mein Schiff 2

Eine besondere Herausforderung, aber auch eine Gelegenheit

Gerade als Margaret Brown das oberste der 16 Decks der „Mein Schiff 2“ erspäht, kommt er wieder. Dieser verdammte Husten. Die ganze Muskulatur in Margarets Körper zieht sich zusammen und malträtiert die Knochen der 78 -Jährigen. Die Lunge scheint zu explodieren, wieder und wieder und wieder. Würde sie nicht im Rollstuhl sitzen, würde sie sich am Boden krümmen.

„MUM! Alles gut?“ Molly lässt am Check-In alles liegen und stehen und rennt zu ihrer Mutter.
„I’m alright, darling. Let’s get on board, shall we?“
„Wo ist dein Inhalator?“
„Pardon?“
„Your inhaler, where is it?“

Ein letztes Mal eine Kreuzfahrt. So wie damals, mit ihrem geliebten William. „Ich will noch einmal den Wind in den Haaren und das Salzwasser auf der Haut spüren“ , sagte sie ihrer Tochter bei ihrem letzten Besuch. Molly war extra den weiten Weg aus Deutschland gekommen, um nach ihr zu sehen. Das rührte sie. Dabei hatte Molly doch so viel Arbeit. Die zwei Jungs, ihre Enkel, wuchsen zu jungen Männern heran und hatten nur Flausen im Kopf. Achim, Mollys Mann, hatte einen guten Job in der Pharmaindustrie. Sie kam ganz gut alleine klar, nachdem ihr William gegangen war.

„Ist das wirklich schon acht Jahre her, darling?“, fragte Margaret ihre Tochter bei einer Tasse Tee in ihrem kleinen Haus in Reading.

„Ja, Mum. Aber wir gehen auf Kreuzfahrt, versprochen“.

Die letzte Reise

„Es gibt solche Gäste. Gäste, die ihre letzte Reise auf einem Kreuzfahrtschiff erleben möchten. Diese sind für uns natürlich eine besondere Herausforderung, aber auch eine Gelegenheit“, sagt Prof. Dr. Berthold Petutschnigg, seit über zehn Jahren „Doc an Bord“ und seit 2015 Chief Senior Doctor der „Mein Schiff “- Flotte von TUI Cruises.

„Ich kann mich erinnern, wir hatten einen Gast, der kam liegend an Bord. Sein Plan war, wirklich hier an Bord seine allerletzte Reise zu starten. Wir vom Medical Team waren jeden Tag bei dem Herren in der Kabine. Natürlich um nach dem Gesundheitszustand des Gastes zu sehen, aber das ist nur ein Teilaspekt unseres Berufs. Wir hatten viele gute Gespräche, natürlich auch über seine Gesundheit, aber in erster Linie über das Leben.
Nach 14 Tagen hat uns der Gast verlassen. In einem Hafen, auf seinen eigenen Beinen. Das sind Momente, die vergisst man nicht .“

Prof. Dr. Berthold Petutschnigg

Schneller als der rtw

Aber selbst wenn Gespräche nicht mehr helfen – die Medical Crew an Bord des zum Zeitpunkt unserer Reise neuesten Schiff s der „Mein Schiff “-Flotte ist auf alle Eventualitäten vorbereitet. Egal ob ein Crewmitglied einen grippalen Infekt auskurieren muss oder ein handfester kardiologischer Notfall vorliegt. Speziell bei Letzterem zählen Sekunden: „Wir können jeden Notfallort hier auf dem Schiff in unter zehn Minuten erreichen und die entsprechende Therapie einleiten – so etwas kann kein Rettungsdienst an Land garantieren.“ 


Dabei ist vor allem das „wie“ entscheidend - drei Worte über das Schiffs-Intercom reichen aus , um eine gut geölte Maschinerie in Bewegung zu setzen:

STARCODE! STARCODE! STARCODE!

„Wenn wir das hören, lassen wir alles liegen und stehen und rennen los“, sagt der zweite Arzt an Bord der „Mein Schiff 2“, Markus Lanzerath. Gleichzeitig steuern zehn besonders geschulte Crewmitglieder aus allen Bereichen des Schiffs die Krankenstation an.
„Während wir mit dem corpuls3 und dem Notfallkoffer auf dem Weg zum Einsatzort sind, trifft das sogenannte Stretcher-Team in der Krankenstation ein, rüstet sich aus und begibt sich ebenfalls zum Ort des Notfalls.
“So gewährleistet das Medical Team von TUI Cruises, dass jeder Notfall optimal versorgt werden kann – selbst wenn die Erstmeldung an die Brücke nicht vollständig oder korrekt war. Das passiert aber so gut wie gar nicht.

“Notfallmeldungen laufen bei uns auf der Brücke auf einem roten Telefon auf. Einer meiner Offiziere nimmt den Anruf an und arbeitet einen knappen, aber speziellen Fragenkatalog ab. Im Grunde ist das Vorgehen vergleichbar mit dem, was viele Rettungsorganisationen an Land schon eingeführt haben: Wir triagieren sozusagen schon bei der Erstmeldung. Sind wir sicher, dass die Lage ernst ist, gebe ich das Kommando „Go for Starcode”, sagt Kapitän Tom Roth.

Der Vollblutseefahrer kommt nicht etwa, wie man vermuten würde, von einem der europäischen Küstenlandstriche, sondern erblickte 1970 in der Schweizer Metropole Zürich das Licht der Welt. Damit wird einem bemerkenswerten Muster, das uns seit unserer Ankunft auf der „Mein Schiff 2” immer wieder ins Auge stach, die Krone aufgesetzt: die gezielte Unterwanderung der Mannschaft durch alpenländisches
Personal aus Österreich, der Schweiz und Bayern. Diese Infiltration geht so weit, dass wir drei Jungs aus Bayern den besten Kaiserschmarren unseres Lebens an Bord der „Mein Schiff 2” hatten. Kein Wunder, der Küchenchef des Restaurants „Esszimmer” ist nämlich - genau, Österreicher!

Überall trifft man auf Bergvolk, auch am Empfang in der Krankenstation. Dort sitzt Madeleine Gallowski aus Bayern: „Klar gehen mir ab und zu die Berge ab, aber ich habe mich zu Hause immer so ein bisschen eingeengt gefühlt. Mein Vater hat mir damals immer Geschichten vom Hochsee-Angeln erzählt. Da ist wohl irgendwas hängen geblieben. Und heute ist es so, dass ich unruhig werde, wenn ich zu lange an Land bin.”
Eine Sache, die scheinbar viele hier an Bord teilen.

“Urlaub ist für mich, an Bord sein zu dürfen”, sagt Kapitän Roth . “Wir werden hier aber auch ziemlich verwöhnt. Ein paar Tage daheim und man wundert sich: wieso wird meine Schmutzwäsche immer mehr? Der Kühlschrank dafür immer leerer? Und Staub saugen? Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt einen Staubsauger besitze. Uns geht’s hier schon sehr gut an Bord. Und wir sehen jeden Tag die schönsten Ecken der Welt - besser geht’s doch nicht.” Mit dem Luxus kommt aber auch die Verantwortung.

“Wir haben rund 3.000 Passagiere an Bord. Dazu rund 1.000 Mann Besatzung. Da bleiben Krankheiten nicht aus. Stellen Sie sich jetzt mal vor, jemand aus unserer Küchencrew fängt sich einen Magen-Darm-Infekt ein und die Crew erkennt das nicht rechtzeitig. Da haben Sie eine Sache, die ich lieber nicht an Bord erleben möchte”, sagt der Kapitän mit einem Zwinkern.Damit so etwas nicht passiert, ist die Medical Crew auf alle Gemeinheiten vorbereitet, die Murphy sich nur ausdenken könnte. Die Schiffsapotheke würde auch einem mittleren Krankenhaus gut zu Gesicht stehen. “Im schlimmsten Fall können wir sogar chirurgische Eingriffe vornehmen - dafür sind wir ausgestattet”, sagt Chief Senior Doctor Petutschnigg.

Intensivbetten der Mein Schiff 2

Zwei Krankenbetten mit kompletter intensivmedizinischer Ausstattung stehen für den Fall der Fälle bereit. „Und wenn unsere Möglichkeiten nicht mehr ausreichen, haben wir immer noch die Möglichkeit Patienten ausfliegen zu lassen. Diese Entscheidung liegt allerdings beim Kapitän.“

Und dieser hört auf seine Medical Crew: „Wenn der Doktor sagt “ das muss sein”, dann gibt es da keine Diskussion mehr um das „Ob”, sondern wir diskutieren das „Wie.” Ich bin kein Mediziner, die Kompetenz haben andere. Und wenn es bedeutet, dass wir den Kurs ändern und den Zeitplan auf den Kopf stellen – dann ist das eben so.”

Margaret spürt die Sonne auf ihrer Haut. Eine leichte Brise lässt sie kurz schauern. „Here you go, Madame B …” Kevin, der reizende Kellner bringt ihr eine Tasse Earl Grey mit einem Schuss Milch. Genau wie sie es liebt.
Kevin heißt eigentlich gar nicht Kevin, wie Margaret mittlerweile herausgefunden hat. Aber er nennt sich so für die Passagiere. Seine Heimat sind eigentlich die Philippinen, dort hat er Frau und Kind. So wie Kevin gibt es viele an Bord. Sie halten den Betrieb am Laufen, kochen, putzen, waschen Wäsche, mixen Cocktails, servieren einer alten Dame auch mal den Tee - und haben dabei immer ein Lächeln im Gesicht. Margaret lächelt auch, ist in Gedanken bei ihrem William.

„Somebody is in a good mood today!” Die sonore Stimme des Schiffsarztes reißt Margaret aus ihren Gedanken.
„Who wouldn’t in such a charming company?”, fragt Margaret zurück.
Wenn sie nur ein paar Jahre jünger wäre, dann müsste sich der hochgewachsene Offizier aber hüten …
„Do you mind …?”, fragt der Arzt und deutet auf den leeren Sessel neben ihr. „Absolutely not!”, antwortet sie.
„What do you think, would William have liked it here?”, fragt der Arzt während er Platz nimmt. „No”, sagt Margaret und genießt den verdutzten Blick des Arztes, „he would have loved it.”
Ich sitze zwei Sitzgruppen weiter und beobachte die beiden. Margaret strahlt, sie lachen. Manchmal wirklich die beste Medizin.

Medical onboarding

Aus praktisch-medizinischer Sicht ist ein Kreuzfahrtschiff von den Ausmaßen der „Mein Schiff 2” wohl der ungünstigste Ort um zu arbeiten. Viele Menschen auf engstem Raum, die nächste, medizinische Unterstützung ist oft Hunderte Kilometer entfernt. Aber für viele ist genau das der Reiz an der Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff. Optimales Training und bestes Equipment ist für medizinisches Fachpersonal aber unabdingbar. Der Chief Senior Doctor von TUI Cruises, Prof. Dr. Berthold Petutschnigg, hat deshalb ein gezieltes Schulungsprogramm für Interessenten erarbeitet.

IMPULSE:
Herr Professor Doktor Petutschnigg, was sind denn die Grundvoraussetzungen, wenn ich als Krankenpfleger oder Arzt an Bord eines Schiffs der TUI Cruises arbeiten möchte?

Prof. Dr. Petutschnigg:
Fangen wir mal mit dem an, was sich schneller erklären lässt: dem Krankenpfleger. Hier ist sicherlich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter oder etwas Vergleichbares ein sehr großer Vorteil. Wenn dann noch Erfahrung als Intensivpfleger vorhanden ist, dann ist das schon mal die halbe Miete. Die andere Hälfte gilt so auch für Ärzte: Man muss Leidenschaft für das haben, was man tut. Gute Englischkenntnisse sind unabdingbar, auch wenn die meisten unserer Gäste Deutsch sprechen. Die Crew-Sprache ist aber Englisch. Dokumente, wie Berichte oder auch unsere Arztbriefe, müssen in englischer
Sprache ausgefüllt werden.

IMPULSE:
... Womit wir auch schon bei den Ärzten wären.

Prof. Dr. Petutschnigg:
Exakt. Die Facharztausbildung für Allgemeinmedizin, Chirurgie/ Unfallchirurgie, Innere Medizin oder Anästhesie ist schon mal Voraussetzung, denn ein guter Schiffsarzt braucht für seine Tätigkeit von jeder dieser Fachdisziplinen ein bestimmtes Maß an Basiserfahrung. Empfehlenswert ist es außerdem, die Grundlagen der anderen Fächer in der Praxis nachzuholen. Zum Beispiel durch Hospitieren auf einer Intensivstation, im Schockraum oder in einer chirurgischen Erstaufnahme.

Ein kompetenter Schiffsarzt ist darüber hinaus immer auch ein Notarzt. Die Fachkunde Rettungsdienst oder das Notarztdiplom für österreichische Ärzte sind also Pflicht. Der Notfall kann zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit jedem erdenklichen Schweregrad auftreten. Für die spezielle Situation auf einem Kreuzfahrtschiff muss ein Arzt besonders ausgebildet und erfahren sein. Und diese Kompetenz erlangt man an Land am besten durch Notarztdienste. Dazu kommen dann noch internationale Zertifikate wie ALS (Advanced Cardiac Life Support Course) sowie PALS (Pediatric Advanced Life Support Course) mit den entsprechenden Refresherkursen nach vorgegebenen Zeitgrenzen. So bleibt man als Schiffsarzt immer auf dem aktuellen Stand im Erkennen eines kritisch erkrankten Patienten und der entsprechenden Therapie. Man darf nicht vergessen: Wir haben ja nicht nur alte Leute hier an Bord, sondern in erster Linie junge Familien
mit Kindern.

IMPULSE:
Also alles Bereiche, in denen die Geräte von corpuls ihre Stärken ausspielen können.

Prof. Dr. Petutschnigg:
Absolut! Wir haben ja hier zwei corpuls3 an Bord und ich kann mir kein besseres Werkzeug wünschen. Speziell in den engen Gängen oder den Aufzügen ist die Dreiteilbarkeit des corpuls3 einfach das Optimum. Das corpuls cpr haben wir ja leider nicht an Bord, aber ich kenne das Gerät sehr gut. Der Aufbau, die Technik und die Zertifizierung für die Behandlung von Kindern ab 8 Jahren – das ist schon was. Meiner Meinung nach das derzeit praktischste Thoraxkompressionsgerät.

IMPULSE:
Aber an Bord werden Sie wahrscheinlich mehr mit Knochenverletzungen bei Kindern zu tun haben als mit kardiologischen Problemen.

Prof. Dr. Petutschnigg:
Völlig richtig, deswegen sind auch sonografische Kenntnisse für eine erweiterte Diagnostik an Bord sowie die Repositions- und Immobilisationstherapie, also ein „Gipskurs“, beim Extremitätentrauma weitere Aufnahmekriterien. Und natürlich sollten Sie wissen, wie Sie einen corpuls3 oder das Beatmungsgerät bedienen müssen. Also: Kenntnisse aller an Bord eingesetzten Geräte nach dem Medizinprodukte-Gesetz sind selbstverständlich.

IMPULSE:
Das ist eine ganz schön lange Liste an Anforderungen ...

Prof. Dr. Petutschnigg:
Durchaus! Und ich habe die Fachkunde Strahlenschutz vergessen – sehen Sie, die Arbeit auf einem Schiff ist speziell, allein schon durch die räumlichen Gegebenheiten. Und wir tragen die Verantwortung für rund 4.000 Menschen an Bord (Passagiere + Crew). Da ist es absolut notwendig, dass das medizinische Personal optimal ausgebildet ist.

IMPULSE:
Deshalb auch die Idee vom Intensivkurs Kreuzfahrtmedizin?

Prof. Dr. Petutschnigg:
Ja, das zum einen, aber auch, um Interessenten eine einzige Anlaufstelle zu geben, bei der sie ihre Qualifikation erlangen können. Wie der Kurstitel bereits vermuten lässt, ist es ein Intensivkurs, in dem ein Teil der Zertifikate, die für die Schiffsarzttätigkeit erforderlich sind, erworben werden können. Darüber hinaus erfolgt die 'normale' Arzt-Ausbildung
eben auch an Land! Wir sind aber auf einem Schiff und schulen auch auf einem Schiff – also genau da, wo Sie als Arzt im Zweifel Leben retten müssen. Vergleichen Sie es mit dem Training in einem RTW-Simulator. Eine gute Sache. Aber draußen, auf der Straße, im Einsatz – da ist die Situation doch eine andere. Es ist so: Jeder Tag an Bord bringt neue Überraschungen, neue Herausforderungen – aber das mach t es ja so spannend und abwechslungsreich.

Lust bekommen? Dann werfen Sie doch einfach mal einen Blick auf www.tuicruises.com/karriere/karriere-an-bord/medical.
Alle Informationen zum Intensivkurs Kreuzfahrtmedizin finden Sie auf www.dgkmed.de.

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